Sicht auf med. Versorgungslage für die Volkskrankheit der Zukunft, Diabetes

Sicht auf med. Versorgungslage für die Volkskrankheit der Zukunft, Diabetes

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Die Meinung einer Betroffenen

Seit Jahren weiß man, dass Diabetes zur Volkskrankheit Nr. 1 werden wird. Bisher ist man aber von dem Diabetes Typ 2 ausgegangen. Unsere Lebensweise, unsere Ernährung, Bewegungsmangel sowie der andauernde Stress unserer Gesellschaft verursacht Gewichtszunahme usw.

Vor einiger Zeit habe ich ein sehr interessantes Interview mit Herrn Prof. Dr. Andreas Neu von der Universität Tübingen und Vizepräsident der DDG angehört, dass auch noch eine weitere unschöne Zukunftsperspektive in Sachen Diabetes prognostiziert.
Ralf Caspary (Moderator) spricht in dem Interview von einer neuen Studie, die auch eine Verdoppelung des Diabetes Typ 1bis 2040 vorhersagt.

Ich gebe dieses Interview ausfolgendem Grund wieder: Meiner Meinung nach sprechen diese Zukunftsprognosen für einen schnellen Einstieg der qualifizierten Selbsthilfe in die Gebiete der Früherkennung, der Aufklärung und der Prävention.

Nicht nur Mediziner, die DDG sondern auch die gesamte Selbsthilfe macht schon seit Jahren darauf aufmerksam, dass viel zu wenig in die Diabetesversorgung und
-prävention investiert wird. Die Diabeteserkrankungen allgem. steigen weltweit immer mehr an. An dem meist vermeidbaren Typ 2 sollen bis 2050 ca.1,3 Milliarden Menschen erkrankt sein und eine aktuelle Lancet-Studie besagt, dass sich die Entwicklung des Diabetes Typ 1 bis 2040 von etwa 8,4 Millionen auf bis zu 17,4 Millionen verdoppeln könnte.

Herr Prof. Dr. Neu: bestätigt die Aktualität der wachsenden Zahlen für Diabetes Typ 1, lt. seiner Aussage wird hier deutlich, was schon seit 30 Jahren beobachtet wird. Auch in ganz Deutschland kann man eine steigende Zahl der Neumanifestierungen des Typ 1 Diabetes beobachten. Es handelt sich lt. Herr Prof. Dr. Neu um eine mittleren Anstiegsrate von 3 bis 4 Prozent.

Hr. Caspary stellt in diesem Interview Herrn Prof. Dr. Neu die logische Frage: Was sind die Ursachen für den Anstieg des Diabetes Typ 1?
Prof. Dr. Neu erklärt. dass es beim Typ 1 Diabetes nicht so einfach zu klären ist. Typ 1 Diabetes ist eine „unverschuldete“ Autoimmunerkrankung! Weder eine Änderung des Lebensstils oder eine Verhaltensänderung kann die Entstehung eines Typ 1 Diabetes aufhalten, verzögern oder sogar verhindern.

Trotz vieler Erkenntnisse haben Medizin und Forschung noch nicht die genauen Ursachen für den Typ 1 Diabetes gefunden.
Lt. Herrn Prof. Dr. Neu gibt es kaum einen Faktor, den man nicht im Zusammenhang mit der Zunahme des Typ 1 Diabetes analysiert hat. Untersuchungen von Lebensstil, klimatische und demographische Faktoren haben keinen Bezug zu der Steigerung des Diabetes Typ 1 gebracht.
Es gibt bislang keinen Hinweis, warum der autoimmune Typ 1 Diabetes zunimmt.

Bei dieser Erkrankung schadet sich der Körper selbst.
Es ist eine Autoimmunerkrankung, bei der der Körper Antikörper entwickelt, die dann körpereigene Anteile zerstören.

Bekannt ist, dass beim Typ 1 Diabetes die Zahl der Neuerkrankungen im Kindesalter besonders hoch sind. Lt. Herrn Prof. Dr. Neu kann man bei der Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen eine außerordentlich hohe Neuerkrankungsrate feststellen. Früher nannte man den Diabetes Typ 1 den „jugendlichen Diabetes“ aber in den letzten Jahrzehnten lässt sich beobachten, dass Neumanifestationen des Diabetes Typ 1 auch im Erwachsenenalter auftreten.

Die Lebenserwartung eines Typ1-Diabetikers hängt, so Herr Prof. Dr. Neu, ein bisschen vom jeweiligen Gesundheitssystem ab. Die mittlere Lebenserwartung für Kinder, die jetzt im Alter von zehn Jahren einen Diabetes bekommen, variiert international enorm und variiert zwischen 13 Jahren in sehr wenig entwickelten Ländern und 65 Jahren in Mitteleuropa.
Auch Herr Prof. Dr. Neu meint, dass der Wohlstand eines Landes und die Infrastruktur des Gesundheitssystems für die Lebenserwartung eine entscheidende Rolle spielen. Wie lange Kinder mit Typ 1- Diabetes leben können, hängt oft auch von der demografischen Lage ab. Ein gutes Gesundheitssystem ist unter anderem entscheidend.

Herrn Caspary wie auch mich als Zuhörer interessiert die Antwort aus der daraus resultierenden logischen Frage an Hr. Prof. Dr. Neu: Was wären gesundheitspolitisch die wichtigen und richtigen Schritte für die Zukunft?
Seine Antwort lautete:
Die o. g. Studie liefert genaue und klare Konsequenzen:

  • ausreichend qualifiziertes Personal, denn die Ausbildung von Personal ist essenziell
  • die Ausbildungskapazitäten nicht nur zu erhalten, sondern auszubauen (Hr. Prof.
    Dr. Neu nennt hier aktuelle Tatsachen: an 37 medizinischen Fakultäten
    in Deutschland sind nur 8 mit Betten für den Lehrstuhl Diabetologie
    ausgestattet) Das ist definitiv zu wenig.
  • qualifiziertes Personal in Kliniken, Praxen usw. muss aufgrund der steigenden Zahl
  • der Neuerkrankungen steigen
  • Aufklärung von Ärzten und der Bevölkerung muss anhaltend nachgebessert werden
  • geschulte Früherkennung der Erkrankung könnte schlimmes verhindern und eine
    schwerwiegende Stoffwechselentgleisungen vermeiden. Die Symptome sind leicht
    zu erkennen, man muss es nur wissen.

Zum Schluss des Interviews bestätigt Herr Prof. Dr. Neu dass er angesichts der Zahlen besorgt ist. Er sagt, er sei vor allem deshalb so besorgt, weil unser Gesundheitssystem auf diesen Ansturm, auf diese Ausweitung der Fallzahlen nicht ausgerichtet ist.

Mein Resümee:
Ich sehe in diesem Interview die Bestätigung, dass die Selbsthilfe ganz besonders in Sachen der vorhersagbaren Volkskrankheit „Diabetes“ von staatlicher Seite dringend
finanzielle Unterstützung bekommen muss und auch in die Leistungstabellen unserer Gesundheitsstruktur eingebettet werden sollte.
Denn qualifizierte Betroffene, die im Rahmen der Selbsthilfe gut ausgebildet sind, können Neubetroffenen, deren Angehörigen und/oder Betroffenen, die noch Hilfe zur Bewältigung der Erkrankung brauchen und/ oder alten Menschen, die nicht mehr allein mit ihrer Erkrankung zurechtkommen, eine Brücke zwischen dem alten „gesunden“ und dem neuen „diabetischen“ Leben bieten.

Hier könnte die Selbsthilfe eine wichtige Aufgabe des Staates, nämlich die Fürsorge um seine Bürger, übernehmen, die der Staat aufgrund der schnell steigenden Fallzahlen und der damit verbundenen Kosten nicht mehr übernehmen kann.

Dies ist eine grobe Wiedergabe eines Interviews vom 01.02.2023 vom SWR mit Moderator Ralf Caspary und Prof. Andreas Neu.

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