Im Krankenhaus mit Diabetes
Meine Meinung
Das macht mich nachdenklich: Wenn der Diabetes nur die Nebendiagnose ist.
Vor kurzem las ich einen Artikel der DDG (Deutsche Diabetes Gesellschaft), in dem deutlich wurde, dass Patient*innen, die mit der „Nebendiagnose Diabetes“ aber wegen einer anderen Haupterkrankung in ein Krankenhaus aufgenommen werden, nicht das Maß an Versorgung bekommen, das sie eigentlich für ihre Heilung benötigen.
In diesem Artikel wird eine Studie der Uni Ulm benannt, die demnächst veröffentlicht wird und die sich mit den Fallzahlen der hospitalisierten Diabetesfälle zwischen 2015 bis 2017 befasst hat. Lt. dieser Studie leidet jede*r fünfte Krankenhauspatient*in an Diabetes.
Ich selbst, Typ 1, war schon öfter wegen anderer Hauptdiagnosen in verschiedenen Krankenhäusern und mich hat diese mangelhafte Vorgehensweise, die bei mir und anderen Mitpatient*innen, die auch an Diabetes erkrankt waren, sehr verwundert. Meist sind die Patient*innen aber dankbar, dass irgendetwas geschieht, die Schmerzen beseitigt werden und dass sie nicht alleine sind. Sie beschweren sich nicht, ganz besonders ältere Patient*innen. Hier kann man sich lt. Bericht der DDG ein Beispiel am Umgang mit der Behandlung bei COVID-Patient*innen nehmen:
Zitat aus dem Bericht: „Bei Fällen mit COVID-19 im Krankenhaus werden meist Haupt- und Nebendiagnosen betrachtet, da in beiden Fällen der stationäre Aufwand erheblich größer ist. Genauso sollte bei Diabetes auch verfahren werden, da Menschen mit einer Nebendiagnose Diabetes im Krankenhaus genauso eine zusätzliche, spezialisierte und aufwändige Betreuung benötigen.“
Meiner Meinung nach muss sich in Sachen „Versorgungsbedarf bei Patient*innen mit Diabetes“ unbedingt etwas ändern:
Alle Diabetiker*innen, egal ob Typ 1 oder Typ 2, müssen die Versorgungsleistungen erhalten, die für eine gesunde und richtige Heilung, die nur mit einem guten Zuckerverlauf möglich ist, erhalten. Es kann nicht sein, dass Heilungsprozesse verzögert oder Erkrankungen sogar verschlimmert werden, weil die „Nebendiagnose Diabetes“ stiefmütterlich behandelt wird.
Wie kommt es dazu? Die Krankheit „Diabetes“ wird in unseren Krankenhäusern nur dann statistisch erfasst, wenn die Krankheit „Diabetes“ als Hauptdiagnose bei der Aufnahme eingetragen wurde. Hieraus resultiert, dass die bisher veröffentlichten Zahlen der Patient*innen mit Diabetes, die in Krankenhäusern aufgenommen wurden, nicht stimmen können. Gerade viele ältere Menschen, die bereits mit der Krankheit Typ 2 belastet sind und dann auch noch eine andere Haupterkrankung haben, benötigen eine durchdachte und übergreifende Versorgung. Aber auch die jungen Patient*innen mit der „Nebendiagnose Diabetes“ brauchen eine auf sie abgestimmte Behandlung wie mein folgendes Beispiel zeigt: Ein jüngerer Bekannter, auch Diabetiker, hatte eine Krebserkrankung und wurde im Krankenhaus fachmännisch wegen dieser Erkrankung behandelt, landete aber mehrmals täglich bei starken Unterzuckerungen und konnte sich auch nicht, wie sonst, selbst helfen. Gottseidank fand ihn eine Schwester noch rechtzeitig, als er schon bewusstlos auf dem Boden vor dem Bett lag. Hier ist eindeutig der Versorgungsbedarf ein anderer als bei einem „normalen“ Krebspatient*innen.
Eine professionelle und übergreifende Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Disziplinen fehlt hier oftmals.
Die Versorgung und Betreuung der Patient*innen mit der „Nebendiagnose“ Diabetes“ sollte erheblich intensiver als bei den Patient*innen ohne „Nebendiagnose Diabetes“ sein.
Signifikant dabei ist, dass man bei Patient*innen mit Diabetes oft einen längeren Aufenthalt im Krankenhaus als auch eine höhere Sterblichkeit verzeichnen kann als bei den Patient*innen ohne Diabetes.
In diesem Artikel erklärt Prof. Dr. med. Holl, von der Uni Ulm: „Das belegt die hohe diabetesassoziierte Sterblichkeit und verdeutlicht den erheblichen stationären Versorgungsbedarf von immer älter werdenden multimorbiden Diabetespatienten“.
Mit Blick auf die Zukunft, die eine steigende Zahl von Patient*innen in Deutschland vorhersagt, sollten wir als Diabetes-Selbsthilfe fordern, dass die Aufnahmestatistik in den Krankenhäusern geändert wird und der aus den echten Zahlen folgende erhöhte Versorgungsbedarf für die Patient*innen mit der „Nebendiagnose Diabetes“ und der immer älter werdenden multimorbiden Diabetiker*innen angepasst wird.
Barbara Dvorak, 2. Vorsitzende des Diabetiker Bundes Berlin